Oma, Opa und die fremde Frau
/ ein Auszug aus "Bananen, Banken und Banausen"
„Hier, kuck mal Charlotte, das wär doch das Richtige.“
„Was ist denn das?“
„Ein Navi!“
„Ein was?“
„Ein Navigationsgerät!“
„Aber Hermann, was willst du damit? Du hast doch gar kein Schiff!“
„Das ist ein Navi fürs Auto!“
„Hermann, wozu brauchst du noch so ein Navi ... Navigationsgerät? Du wirst zweiundachtzig.“
„Solange ich noch Auto fahre, kann ich auch ein Navi gebrauchen, Charlotte.“
„Aber du fährst doch gar nicht mehr viel.“
„Du lässt mich ja nicht.“
„Hast du die mitgenommene Ampel, den eingefahrenen Gartenzaun und die umgeknickte Parkuhr schon vergessen?“
„Siehst du, das alles wäre mit Navi nicht passiert. Das sagt nämlich an, wenn du verkehrt bist.“
„Hermann, gegen deine Fahrkünste wäre auch das beste Navi machtlos. Du kannst dich einfach nicht mehr so konzentrieren, und dann der viele Verkehr. Ich weiß ja, dass du vorsichtig fährst, ich könnte wetten, im Umkreis von zweihundert Kilometern ist keiner langsamer als du. Aber das allein macht es nicht. Sieh das doch ein.“
„Meine liebe Charlotte. Die Ampel war neu, die stand vorher nicht da, der Gartenzaun war beim Rückwärtsfahren im Dunkeln nicht zu sehen, und die Parkuhr, die hatte ich gar nicht im Rückspiegel.“
„Und was ist mit dem Schaden von Nachbars Wagen, der stand am helllichten Tag in der Parkspur.“
„Ach, wärm doch nicht immer diese ollen Kamellen auf, das ist schon mehr als vier Wochen her ...“
„Überleg doch mal Hermann, wann brauchst du mal ein Navi? Du fährst doch viel zu selten. Und wenn du mal fährst, dann nur bei uns in der Stadt. Da kennst du doch jede Ecke.“
„Und wenn ich mal in eine andere Stadt muss, denn weiß ich nicht, wie ich fahren soll. Da ist doch so eine kleine Hilfe genau das Richtige für mich. Schau mal her, Charlotte.“
„Nein, ich schau nicht!“
Der erfahrene, Frauen verstehende Pädagoge sprach mit einfühlsamer Stimme: „Du sollst jetzt hierher kucken, verdammt noch mal!“
Charlotte schaute auf das Navi, die Kunden des überfüllten Elektronik-Fachmarktes auf Charlotte.
„Und wie funktioniert das?“
„Das ist ganz einfach Ich brauche nur einzutippen, wo ich hin will, und schon sagt mir eine Frau, wo ich langfahren muss..“
„Welche Frau?“
„Kenne ich nicht, eine Frau eben, eine Fremde!“
„Eine fremde Frau kommt mir nicht ins Auto, Hermann! Hast du gehört, keine fremde Frau!“
„Kommt sie ja auch nicht, sie sieht mich über einen Satelliten.“
„Ja, das glaub man, dass sich eine fremde Frau die Zeit nimmt, dich übern Satelliten zu beobachten. Wenn die Firmen was loswerden wollen, versprechen sie dir alles. Der Mann von der Stromversorgung hat auch versprochen, es wird nicht teurer ... Und was ist draus geworden? Siehst du! Und du glaubst, dass sich eine wildfremde Frau auf einen Satelliten setzt und kuckt, wo du grade bist und wo du hinfährst! Hermann! Was ist zum Beispiel, wenn deine Fremde mal zum Arzt muss oder etwas vorhat? Die kann doch nicht immer warten, bis du sie mal brauchst. Ich würde mich nicht darauf verlassen, Hermann. Vielleicht wird auch mal ihr Kind krank. Hat sie Kinder?“
Ein Verkäufer eilte herbei und fragte, ob er behilflich sein könne.
Hermann nutzte die Gunst des Augenblicks und gab ihm zu verstehen, dass seine Frau gern ein Navi hätte und nicht wisse, für welches sie sich entscheiden solle.
Charlottes Blutdruck schnellte nach oben, ihre Mundwinkel erinnerten eher an die unserer Kanzlerin nach Bekanntwerden der Bankenkrise.
Dem geschulten Verkäuferauge entging nicht, dass Hermanns Augen sehnsuchtsvoll ein bestimmtes Gerät im Visier hatten.
Rein zufällig stellte der Verkaufsfreudige ihnen genau dieses vor, erklärte dieses und jenes und bemerkte abschließend: „Wir haben dasselbe Gerät auch noch mit Stauumfahrung.“
„Hermann, eine Stauumfahrung brauchst du nicht. Der Stau ist immer erst hinter dir!“
Dieses wertete Hermann als grünes Licht für den Kauf. Auf Charlottes Wange landete ein Küsschen, im Korb ein Navi.
„Ich geb dir auch mal einen Kaffee aus, wenn’s irgendwo passt“, war Hermann dankbar. Charlotte hätte in diesen Augenblicken ein Beruhigungstee besser getan.
„Hab auch extra nicht so ein teures genommen, hast ja gesehn, was die andern Dinger kosteten“, versuchte Hermann den Familienfrieden wiederherzustellen.
„Wenn du wirklich einmal irgendwo nicht weiter weißt, dann hättest du immer noch jemanden fragen können.“
„Und wenn keiner da ist, den du fragen kannst?“
„Da, wo du mit dem Auto fährst, Hermann, ist immer einer, den du fragen könntest. In Ecken, wo kein Mensch nicht ist, da fährst du auch nicht mit dem Auto hin.“
„Man weiß ja nie, und dann ist es doch besser, vorbereitet zu sein.“
Stolz, als hätte er einen Pokal gewonnen, verließ Hermann den Markt. In der linken Hand den Beutel mit seinem Schmuckstück, an der rechten sein Schmuckstück mit mehreren Beuteln...
Ob Herbert mit seinem Navi
klarkommt, und was seine Charlotte mit der unbekannten Ansagerin erlebt, erfahren Sie in "Bananen, Banken und Banausen". Darüber hinaus gibt es jede Menge weiterer Episoden, die
Sie zum Lachen bringen werden...
Rote Highheels / ein Auszug aus "Auch ein glatter Aal stinkt nach Fisch"
Vormittags im Supermarkt, alles ist wie immer... Eine Praktikantin füllt die Gefriertruhen auf und Heini Wuschke liest wie immer um diese Zeit die Lokalzeitung am Zeitungs-ständer. Gekauft hat er noch nie eine. Elschpietta aus Polen, die vor 8 Wochen im Dorf ein „Verwöhnstudio für den anspruchsvollen Herrn“ eröffnet hatte, kaufte wie jeden Mon- tag 100 Kondome und bekam vom Kassierer einen Schwangerschaftstest gratis. Frau Meyer zahlt 14 Euro achtzig in 2, 5, und 10 Centstücken, die Schlange hinter ihr wächst unermüdlich, bis sie bei 14 Euro 40 feststellt, dass das Geld doch nicht reiche. „Naja, ein Zehner und ein Fünferschein tun’s ja auch!“ sagt sie mit einem Lächeln. Unser Dorf, unsere Menschen, unsere Zeit. Nichts wirklich aufregendes mehr, ’89 ist lange her. Der Alltag hat uns wieder.
Doch dann: dann kam sie. Sie! Ein Traum von Milch und Honig, Miss Universum, eine Fee vom anderen Stern. Ihr dunkles langes Haar fiel sanft gelockt über ihre Schultern und umhüllte ein Gesicht, so makellos und schön, Dieter Bohlen hätte sie zum Superstar gemacht, ohne dass sie die Bühne je betreten hätte. In ein weißes Shirt gehüllt wippten ihre Brüste bei jedem Schritt im Takt, und verrieten eine Festigkeit, von der selbst Paranüsse nur träumen konnten. Der enge Rock, was heißt Rock, es war eher ein Gürtel, verhüllte nur gerade so ihren Po, schon wenn sie sich auch nur ein Prozent geneigt hätte, hätte dies jedermann verraten, ob sie was drunter trug. Begünstigt wurden diese Einblicke durch ihre unendlich langen Beine, die in noch unendlicheren knallroten Highheels steckten. Und wie sie damit ging! Ach was ging! Sie schritt, sie zelebrierte ihre Fortbewegung. Wie kann man mit so langen Beinen in solchen Schuhen nur so laufen??? So etwas hatte die Welt noch nicht gesehen, unser Dörfchen schon gar nicht. Rote Highheels! Und was da drin steckte. Dass irdische Materie sooo schön sein kann! Selbst Cindy aus Marzahn würde vor Neid erblassen. Dem alten Schönig, der gerade am Backstand sein obligatorisches halbes Brötchen verzehrte, fiel beim Anblick dieser formvollendeten Weiblichkeit der obere Zahnersatz in die Kaffeetasse. Schmidti, der gerade bezahlen wollte, fing an zu zittern, er verschüttete sämtliches Kleingeld aus seinem Portmonee. Richtig viel Kleingeld, dass nun über den grauen Fußboden in alle Richtungen auseinander kullerte. So war er der erste, der den schwarzen Tanga der Außerirdischen zu Gesicht bekam. An keinem anderen Tag hätte ihm jemand geholfen, das Geld einzusammeln, heute prügelten sich 5 Mann um die besten Plätze auf dem Fußboden. Durch das „Mein lieber Scholli“ das dem geilen Heini – Vater von 5 Kindern mit 6 Frauen - staunend entfuhr, kam richtig Leben in den Markt. Alles drehte sich zum Eingang und sah die Sonne aufgehen obwohl der Markt kein Cabrio war. Eddi am Flaschenstand blieb der Mund offen stehen, die Augen schlugen an die Brillengläser und so schmiss er erstmal drei Flaschen runter, ehe er merkte, dass der Automat rechts von ihm stand und nicht links. Das Klirren wiederum holte nun auch die letzten noch zwischen den Regalen versteckten Kunden und Kundinnen hervor. Die Kundinnen sahen das Unheil mit Schrecken. Hoffentlich fängt die nicht bei Elschpieta an zu arbeiten! Gerda pfiff ihren Angetrauten sofort zurück, „Komm Willi, wir gehen nachher einkaufen, eigentlich haben wir auch alles, mach hin!“, fasste ihn bei der Hand und schleift ihn hinter sich ehr. Zur Sicherheit nahm sie ihm auch seine Brille weg.
„Haste dit jesehn?“ fragt Kuno seine Barbara. Barbara sagt: Na klar, sehn gut aus, die Schuhe“. „Typisch Frau“ empört sich Kuno, denkt nur an’n Kleiderschrank. Ich möchte den Kerl sehen, der bei so einem Anblick an nen Kleiderschrank denkt. Der is entweder blind oder umoperiert.“
„Kiek dir die Frau ma an!“ befahl Egbert seiner Frau.
„Na der sag mal, die soll Kartoffeln racken oder Rüben verziehen, die kommt mit ihre Latschen jar nich uffn Acker!“
Die galaktische Erscheinung war mindestens einsfünfundneunzig hoch, trug 85DDDD und war so wunderbar jung. Lag das Durchschnittalter der Kundschaft noch vor wenigen Minuten irgendwo zwischen 60 und 70, war es jetzt noch höchstens viertel drei. So durcheinander war alles geraten. Für die Männer unseres Dorfes war es vollkommen ungewohnt, nach oben zu gucken, wenn sie einer Dame ins Gesicht sehen wollten, weil hier keiner höher ist als einssechzig. Größere passen nämlich nicht durch die Tür im „Blauen Ochsen!“ Oder nur gebückt. Das mag beim Reingehen ja noch funktionieren, aber zurück? Wenn’s ohnehin schon im Hals würgt? Dann noch Bücken?...
Was die unbekannte Schöne in der Männerwelt noch so auslöst, und welche Auswirkungen dies für die Dorfgemeinschaft und den
Einzelhandel der ganzen Region hat, erfahren Sie in "Auch ein glatter Aal stinkt nach Fisch"
Andreas und Petra / Auszug einer Beispiel-Episode aus "Eine Rose für Dich"
Zwei Menschen gehen eine einsame Straße entlang. Längst hat die Sonne an diesem Spätsommerabend ihren Dienst beendet und Platz gemacht für Dunkelheit und Stille.
Sie gehen langsam, diese zwei, sind einander noch fern. Und doch auch irgendwie schon nah.
Er und sie, sie und er. Zu zweit und doch kein Paar. In Zukunft vielleicht, wer weiß das schon?
Er - Andreas, sie - Petra. Kollegen. Kollegen nur, nicht mehr. Bislang. Das Leben hat jedem auf seine Weise arg mitgespielt. Beide so um die Vierzig. Beide auf der Suche. Auf der Suche nach einem Neubeginn. Sie kennen einander schon seit Jahren durch die gemeinsame Arbeit im Betrieb. Gespräche in den Pausen, Feiern, hin und wieder mal saßen sie auch beim Essen nebeneinander. Ein wenig lernten sie einander kennen. Was man heute so unter „kennen“ versteht. Wissen noch nicht viel vom anderen. Aber eines ist klar: dass im Dienst auf ihn, auf sie Verlass ist.
Und sie wissen um das Alleinsein des Anderen. Ihr ist der Mann weggelaufen, vier Jahre ist das her. Ihm starb die Frau, die er fast zwei Jahrzehnte mit ihrer unheilbaren Krankheit nicht allein ließ.
Seit einiger Zeit schon geht Sympathie füreinander mit ihnen den gleichen Weg.
Nur Sympathie.
Aber das ist doch schon etwas! Das ist ein Funken Hoffnung. Hoffnung auf das Unbekannte, das Neue. Hoffnung auf das Gemeinsame für beide. Und damit auch schon einmal Erlebtes.
Es war ein schöner Abend. Für beide. Im Restaurant gab es gutes Essen, und der anschließende Film im Kino hatte seinen tiefen Sinn. Gut umgesetzt, ein stiller Film, mit leisen Worten. Nicht die lauten Reden sind´s, die zählen, manch leises Wort wiegt schwerer.
Morgen ist Samstag, so haben sie keine Eile. Ungewissheit ist ihr Begleiter. Unentschlossenheit wohl auch.
„Und du meinst, das geht?“, sucht Petra nach einer Antwort auf eine Frage, die sie sich in Gedanken eigentlich selbst gestellt hat.
„Was geht?“, fragt Andreas ebenso nachdenklich. Nichts ahnend.
„Du weißt, was ich meine. Sehr gut weißt du es. … der Kopf schon hier, das Herz noch dort, … Oder umgekehrt.“
Um dieses undefinierbare Wörtchen „dort“ genauer zu beschreiben, hebt sie ihren rechten Arm und deutet mit dem Zeigefinger ins Irgendwo der Ferne am Himmel. Wenig später sinkt ihr Arm wie kraftlos nieder. Es scheint, als sei ihr genau von dort, wo sie hindeutete, jegliche Energie genommen worden.
Hier, am Stadtrand, ist Weite etwas Greifbares. Längst ist die Abendsonne hinterm Horizont verschwunden. Am Firmament tauchen alte Freunde auf. Wer hat nicht schon zu ihnen gesprochen? Wer freut sich nicht, so lang Bekannte wieder zu sehen, wenn nur sie ihm noch bleiben? Sie, diese geduldigen, stillen Weggefährten im Universum. Ihr Blick geht hin zu ihnen, hinauf, um dort zu verweilen.
Dann ballt sie die linke Hand zur Faust und drückt sie an ihre Brust.
„… Das Sitzen zwischen zwei Stühlen, meine ich!“ Sehnsucht spiegelt sich in ihren Augen, deren Blick sie nun genau auf die ihres Weggefährten richtet.
„Ich hab es noch nicht probiert. Nie! All die Jahre nicht, als Sabine noch da war für mich. Die vielen schönen und doch schweren Jahre, weißt du? Wahrhaftig, es war manchmal wirklich nicht einfach. Aber, was ist schon einfach? Ehrlich, wir haben es uns doch auch selbst nicht leicht gemacht. Hätten wir sonst diese wundervolle Zeit miteinander gehabt, Sabine und ich? All die wertvollen Augenblicke? Ohne dass wir beide an einem Strang gezogen hätten, wäre doch nur wenig vom Leben geblieben. Sicher wäre es leichter für mich gewesen, wenn ich mich von ihr getrennt hätte, als es damals anfing mit ihrer Krankheit. Wir waren ja noch nicht mal verheiratet. Aber ich hab sie geliebt, verstehst du? Und gerade weil uns diese Jahre aufgelastet waren, ist mein Leben so reich gewesen. Jeder Tag, jeder einzelne. Ich hätte sie nicht allein lassen können. Und nun ist alles vorbei. Alles mit ihr. Endgültig. Das ist ja das Schlimme. Diese ach so unbezwingbare Endgültigkeit. Sie ist gegangen, ohne dass sie es selbst wirklich wollte. Ohne ade zu sagen… ohne Leb wohl sagen zu können. Gewiss hätte sie es gewollt.“
Andreas blickt versonnen an ihr vorbei. Erst Petras Antwort holt ihn zurück.
„Als mein Mann mich verlassen hat, da hat er auch nicht Tschüss gesagt! Er ging einfach so. Während ich auf Arbeit war, hat er seine Klamotten aus der Wohnung geholt, und weg war er. Kein ´Leb wohl´, kein ´Mach´s gut´!“
„Aber er hätte es tun können.“ Seine Stimme klingt plötzlich fast erregt. Vielleicht ist es auch die Enttäuschung, dass seine Frau diese Chance nie hatte. Leiser fügt er hinzu: „Entschuldige bitte, aber dein Ex hätte es gekonnt. Der lebt!“
Lange Sekunden vergehen. Schweigend gehen sie nebeneinander her. Wortlos bleiben sie an der Ampel stehen. Das Rot leuchtet scheinbar kräftiger als üblich in die Dunkelheit hinein. Als wolle es ihnen ein Signal geben, das nichts mit der Kreuzung zu tun hat. Als wolle es sagen: Ihr seid auf dem falschen Weg! Vorwürfe und Schweigen bringen euch beide nicht weiter…
„Schon gut, du hast ja Recht“, sagt Petra und fügt, fast traurig klingt es, hinzu: „Ich glaube nur immer, du wirst sie nie los, deine Sabine. Nie mehr! Mit jedem Tag, den ihr euch weiter voneinander entfernt, bist du ihr näher.“
Sie bekommt keine Antwort darauf.
„Du wirst nie auf einem anderen Stuhl sitzen, auch in hundert Jahren nicht! Ich glaube, dazu ist es längst zu spät.“ In ihren Worten schwingt ein großes Maß an Traurigkeit. Oder ist es schon ein Stück gewonnen geglaubter, aber in diesem Augenblick offenbar verloren gegangener Hoffnung?
„Aber du, Petra, ich denk, das geht. Wirklich!“ Er bleibt stehen, wendet sich ihr zu, um sie ansehen zu können. „Schau, ich hab so lange mit ihr gelebt. Sie war meine erste und einzige Liebe. Es ist gerade erst vierzehn Monate her. Das war nicht einfach. Und leichter wird es auch in Zukunft nicht. Glaub ich! Aber ein tragischer Schicksalsschlag aus meiner Vergangenheit darf doch nicht automatisch nur noch eine traurige Zukunft für mich bedeuten. Oder? Ich brauche noch Zeit, dann wird es gehen.“
Und leise noch einmal, wie für sie zur Bestätigung, doch eigentlich wohl nur, um sich selber Mut zu machen: „Es geht… Irgendwann wird es gehen. Du musst Geduld haben, wie ich. Du, … ein klein wenig nur. Ich will mich nur in Ruhe von ihr verabschieden. Abschied nehmen, ihr noch all das sagen, was ich ihr sagen muss, damit es nicht ungesagt bleibt. Vielleicht braucht sie meine Worte… Ich bitte dich, versteh: All das geht nicht von heute auf morgen. Aber es kommt die Zeit, glaub mir.“
Petra sieht ihn von der Seite an. „Du wirst nicht ewig zwischen ihr und mir pendeln können. Das würde sie nicht wollen. Nicht, wenn sie noch lebte, und nun schon erst recht nicht!“
Andreas schweigt. Lange gibt er keine Antwort. Langsam gehen sie weiter. Noch hat er nicht den Mut, nicht die Kraft, all die schönen Stunden zu verdrängen. Aber auch nicht die Entschlossenheit, Petra bei der Hand zu nehmen. Und damit sich Neuem zuzuwenden. Mit ihr, die sich so auf ihn freut. Sieht er sie überhaupt? Sie, die neben ihm geht, stets das Gesicht zugewandt, damit sie ihn ansehen kann. Jeden Moment. So sehr genießt sie wirklich jeden Augenblick mit ihm.
„Lass uns nicht darüber reden. Zu viel ist schon gescheitert, weil zerredet. Vor lauter Reden kommt man zu nichts. Davon geht so viel kaputt.“
„Merkwürdig!“, sagt sie nachdenklich, schweigt eine Weile, um dann zu sagen: „Ich lebe mit meinem Sohn allein. Und weißt du warum?“ Sie wartet nicht auf seine Antwort: „Weil mein Mann zu wenig mit mir sprach.“
Ob Andreas und Petra zusammenfinden, erfahren Sie im Buch/Hörbuch "Eine Rose für Dich"
Die Episode "Andreas und Petra" findet sich auch auf dem Hörbuch "Eine Rose für Dich" wieder.
Die Gesamtspielzeit des Hörbuches beträgt 78 Minuten.
Gelesen wurde das Hörbuch von Helmut Gauß, einem der gefragtesten Sprecher bei Film und Fernsehen. Er verlieh in ungezählten Filmen großen Stars seine Synchronstimme. So sprach er unter anderem die Hauptrolle in Steven Spielbergs Meisterwerk "Schindlers Liste". Als meine damalige Agen- tur mir die Zusage von Helmut Gauß übermittelte, ergriff mich wirklich große Freude und es erfüllt mich noch heute mit Stolz, dass Helmut Gauß dieses Projekt realisierte.
Auszug aus der Titelgeschichte "Die leise Sprache der Rosen"
Warum wir uns gestritten hatten, weiß heute wohl keiner mehr so genau. Doch klein bei- geben war unserer beider Sache nicht.
Beizeiten hatten wir lernen müssen, uns durchzu- setzen. Gegenüber Geschwistern, Mitschülern, später dann Kollegen und überhaupt. Das ganze Leben ist zu einer Frage des Seins geworden. Toleranz,
die bedeutet, die Meinung des anderen bedingungslos anzunehmen und damit oft den zweifellos bequemeren Weg zu gehen, diese Toleranz war uns zu eigen nie.
Ob immer das so richtig war, vermag zu urteilen ich nicht. In diesem Fall jedoch stießen in uns zwei scheinbar unvereinbare
Meinungen aufeinander.
Ich fragte in mich hinein, ob Menschen unvereinbar sein müssen, nur wegen verschiede- ner Ansichten.
Wir hatten einander in den elf Monaten gut kennengelernt.
Glaubten wir.
Und auch lieben.
Eine gemeinsame Wohnung wollten wir uns nehmen. Heimat für uns und all unsere Gefühle füreinander. Mit festen Wänden, nach
innen und außen. Ein Heim für zwei Herzen. Irgendwann vielleicht sogar für mehr.
Heimat, die Platz uns geben sollte, für Entfaltung. Auch Schutz, wenn Frost drohte. Wärme und Geborgenheit versprachen wir
uns. Durch Nähe. Doch dieser Streit schien unser Heim in seinen Grundfesten zu erschüttern.
Schließlich gingen wir wortlos auseinander.
Das war nun schon 3 Tage her. 3 lange Tage. Eine Ewigkeit, empfand ich. Stunden waren plötzlich endlos lang.
Und alles war ohne sie so leer. Leere. Wie im Raum, so auch in meinem Kopf.
Ich vernahm nicht die Klänge aus dem Radio. Stille schien um mich herum.
Aber es war nicht die angenehme Stille, nach der ich mich manchmal sehnte. Schmerzhaft spürte ich, was die zehn Buchsta-
ben E, I , N, S, A, M, K, E, I , und T richtig aneinandergereiht bedeuteten. Allein saß ich in meinem Zimmer. Mutter
stand in der Kü- che und bügelte Hemden. Sie hatte wohl mitbekommen, daß mich etwas bedrückte. Durch dieses feine Gespür für Unausge- sprochenes. Das kann nur Mutterliebe hervorbringen. So
scheint es mir noch heute. Wie oft schon kam sie auf mein Zimmer und hörte zu. Hörte zu, wenn ich von meinen Sorgen
erzählte. Oftmals lange. Sehr lange. Sie nahm sich die Zeit. Durch ihre BHcke gab sie mir immer wieder zu verstehen: „Rede, Junge, rede nur!".
Und ich tat es. Mit unendlicher Geduld nahm sie in sich auf, was an Worten mir wichtig erschien.
Machte meine Sorgen sich zu eigen. Meine Fragen zu den ihren. Nahm mich anstatt ihrer selbst.
...
Findet diese Liebesgeschichte ein gutes Ende?
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Lesen Sie zum Abschluss: Gedanken bei Nacht, ein Gedicht aus "Die leise Sprache der Rosen"
Gedanken bei Nacht
Des Tages spätes Licht
ganz langsam nun erlischt.
Dunkle Schleier wallen sacht
leise tritt herein die Nacht.
Sie breitet ihre Schwingen
um Menschen Ruhe zu bringen.
Wenn Sterne sich am Himmel zeigen
hüllt sich die Welt in tiefes Schweigen.
Lieg wach ich noch, von Dir so fern,
denke an Dich: Ich mag Dich gern.
Dankbar für das, was Du mir gegeben
an Kraft und Liebe aus Deinem Leben.
Hab so viel von Dir bekommen -
hast selten was zurück genommen.
Im Herzen trag ich viel von Dir.
Mutter! Ich danke Dir dafür.